Ton war über viele Jahrtausende ein wichtiger Werkstoff für die Menschen in Europa. Krüge, Vasen oder Schalen ließen sich damit ebenso herstellen wie Ziegel für den Bau von Häusern. Im Main-Kinzig-Kreis zeugen zahlreiche archäologische Funde vom vielfältigen Einsatz des Materials. In der neu eingerichteten Töpferwerkstatt des Museums Gelnhausen können Interessierte nun Tonwaren nach historischen Vorbildern modellieren.
Es hat etwas Beruhigendes, mit Ton zu arbeiten. Davon ist Simone Grünewald überzeugt. Die Abteilungsleitung Kultourismus im Museum Gelnhausen hat sich für die Einrichtung der Töpferwerkstatt starkgemacht und mit ihrem Projektvorschlag schließlich überzeugt – nicht nur den Main-Kinzig-Kreis, der die Einrichtung in der Kulturherberge finanziell unterstützt und somit ermöglicht hat, sondern auch die vielen strahlenden Hobbytöpfer, die bereits Kurse besucht haben. Bislang waren es vorwiegend Kinder. „Es ist wirklich faszinierend zu sehen, wie fantasievoll, unbefangen, aber auch still und konzentriert Kinder mit Ton arbeiten“, berichtet die studierte Historikerin und Germanistin. Wie braune Knetmasse, die etwas erdig riecht, lässt sich so ein Klumpen bearbeiten, aus dem die Teilnehmer längliche Würste rollen. Sobald man damit in Berührung kommt, ist es, als spüre man eine Verbindung zu diesem sehr ursprünglichen Werkstoff. „Allein in diesem Sommer hatten wir einen Ferienkurs mit 80 Kindern an zwei Tagen und dreimal so viele Interessierte“, berichtet Simone Grünewald. Nicht nur die Kleinen sind ganz begeistert von der Töpferei.
„Viele Väter haben uns darauf angesprochen, dass sie das gerne einmal mit der ganzen Familie ausprobieren möchten. Es kamen auch Anfragen von Erwachsenen, die sich einen Kurs wünschten.“
Seit Oktober bietet das Museum aufgrund der hohen Nachfrage alle 14 Tage Kurse in der Kulturherberge für sämtliche Altersgruppen an. Zwei Nachmittage im Abstand von zwei Wochen braucht es, bis aus einer Idee ein fertig gebranntes Utensil aus Ton geworden ist, das die Freizeittöpfer mit nach Hause nehmen können. Dass diese historische Kulturtechnik eine derart große Nachfrage erfährt, freut die Museumsleiterin ganz besonders. „Für unser Museum ist es wichtig, Geschichte für Jung und Alt erlebbar zu machen. Ton eignet sich ideal dafür, denn es gibt viele interessante Funde aus der langen Geschichte des Main-Kinzig-Kreises. Einige davon können die Teilnehmer bei uns nun nachbilden, wie beispielsweise eine Bodenfliese, die in der Kaiserpfalz gefunden wurde und die sich prima als Topfuntersetzer eignet. Aber auch Suppen- und Müslischalen oder sogar Handyhalter modellieren wir gemeinsam.“ Dabei kommt allerdings keine Töpferscheibe zum Einsatz, deren Handhabung schwierig zu erlernen ist. Stattdessen wird der Ton mit den Fingern beispielsweise in Gipsformen gedrückt und muss dann etwa eine Woche ruhen, bevor er glasiert und gebrannt werden kann.
„Die Arbeit mit Ton hat etwas sehr Entschleunigendes“, schildert Simone Grünewald.
Außerdem entstehen durch das Kursangebot interessante Begegnungen. So war beispielsweise eine ehemalige Lehrerin derart begeistert von der Töpferwerkstatt, dass sie aufgrund ihrer eigenen Erfahrung mit dem Werkstoff anbot, selbst Kurse zu geben. Gesagt, getan: Sie stellt nun mit Kindergruppen regelmäßig unter anderem Vogeltränken oder auch sogenannte Käferzipfel her, die Marienkäfern und Ohrenkneifern im winterlichen Garten Unterschlupf bieten.
Auch Simone Grünewald gibt Kurse und erklärt dabei den Teilnehmern, wo der Ton herkommt, wie er abgebaut wurde und wie Menschen früher Utensilien des täglichen Lebens daraus machten. Dabei weist sie stets darauf hin, welche Stücke sich im Museum in der ehemaligen Augustaschule am Obermarkt entdecken lassen, und lädt dazu ein, deren Geschichte zu erkunden. Die originalen Fliesen mit dem prägnanten Muster aus der Kaiserpfalz sind dort beispielsweise auf einem Quadratmeter zu bewundern. So erfahren die Teilnehmer in der Töpferwerkstatt spielerisch geschichtliche Inhalte und entwickeln gleichzeitig ein Gefühl dafür, wie die Menschen in vergangenen Jahrhunderten gearbeitet und gelebt haben. Und das gefällt den jungen Besuchern genauso gut wie den erwachsenen.